Roter Scheinreis - Dolce Vita im Reisfeld

Original und Kopie - der Rote Reis (rechts) ahmt den Kulturreis perfekt nach und lebt wie die Made im Speck. Durch sein extrem starkes Blattwachstum überwuchert er sein Vorbild. Kurz vor der Ernte lässt er einfach seine Samen in den Matsch fallen.

Worum geht es?

"Unkräuter" sind häufig nahe verwandte unserer Kulturpflanzen, die sich in der vom Menschen geschaffenen, künstlichen Umwelt wohlfühlen. "Unkräuter" sind sie vor allem deswegen, weil sie zwar von der Pflege des Menschen profitieren, ihm aber nichts "zurückzahlen" (sogenannter Kulturparasitismus). Im Wesentlichen beruht das auf zwei Eigenschaften: 1. "Unkräuter" werfen ihre Samen oder Früchte ab, bevor sie vom Menschen geerntet werden können. 2. "Unkräuter" keimen nicht einheitlich, sondern zu individuell verschiedenen Zeiten, so dass sie für eine standardisierte Landwirtschaft nicht zu gebrauchen sind. Freilich waren unsere Kulturpflanzen auch alle einmal "Unkräuter" - durch Züchtung hat der Mensch ihnen das Abwerfen der Samen und die ungleichmäßige Keimung "ausgetrieben". Hafer, Roggen und Gerste waren auch einmal, vor etwa 8000 Jahren, "Unkräuter" in den ersten Weizenfeldern und sind dann mit dem Weizen verbreitet worden, bis sie dann vom Menschen bewußt genutzt wurden. Es sind oft nur wenige Eigenschaften, die "Unkraut" und "Kulturpflanze" voneinander trennen. Das bedeutet auch, dass viele "Unkräuter" mit den nahe verwandten Kulturpflanzen nach wie vor in genetischem Austausch stehen. Bevor wir nun versuchen, eine Absolutlösung zu finden und die Unkräuter, die durch Konkurrenz den Ertrag mindern, auszumerzen, sollten wir noch einmal die Schulbank der Evolution drücken und uns anschauen, ob sich hier nicht nachhaltigere Kompromiss-Lösungen ergeben.

Projektthema

Wir haben uns den Roten Reis ausgesucht - ein Kulturparasit, der inzwischen weltweit etwa 40 % der Reisernte aufzehrt. Trotz seiner Bedeutung ist er nach wie vor rätselhaft. Beispielsweise ist weder klar, ob es eine eigene Art ist, noch wie sie sich so sehr ausgebreitet hat, noch weiß man, wieso sie so erfolgreich ist. Wir haben daher Roten Reis aus Brasilien, Thailand und Italien gesammelt und untersuchen nun mit molekularen Markern die Verwandtschaft, schauen uns aber auch bestimmte Anpassungen an, die für den parasitären Lebensstil wichtig sind. In Zusammenarbeit mit Kollegen von der Universität Turin haben wir eine systematische Sammlung von zahlreichen Akzessionen des Roten Reis aus Norditalien etabliert, in der wir auch im Vergleich mit alten und neuen Reissorten aus Italien den Entstehungsweg rekonstruieren können. Wir versuchen zu verstehen, wie dieses dolce vita im Reisfeld funktioniert, um daraus dann evolutionsbasierte und daher nachhaltigere Strategien der Eindämmung zu entwickeln.

Methodik

Neben hochauflösenden Mikrosatellitenmarkern, wie man sie auch für Vaterschaftsnachweise einsetzt, schauen wir uns auch genetische Barcodes an, die auf den Markern matK und ITS beruhen. Untersucht werden hier die Akzessionen aus Thailand, Brasilien und Italien und jeweils die Kultursorte, die gemeinsam mit dem jeweiligen Roten Reis gemeinsam vorkommt. In derselben Population untersuchen wir dann eines der Gene, das für den parasitären Lebensstil wichtig ist, den Genschalter Rc. Das Rc-Protein aktiviert die Bildung der rot gefärbten Anthocyane in der Fruchtschale des Reiskorns. Beim Kulturreis kam es vor 6000 Jahren zu einer sogenannten Deletion, wo ein 14 Basenpaare langes Stück herausgeschlagen wurde. Aus diesem Grund sind die Körner des Kulturreis weiss. Beim Roten Reis ist, wie der Name schon sagt, das Rc-Gen aktiv. Der biologische Sinn der Färbung: die Anthocyane unterdrücken Bakterienbefall, wenn die Reiskörner für lange Zeit im Matsch liegen und auf ihren individuellen Keimbeginn warten. Wir haben nun herausgefunden, dass bei manchen der parasitären Akzessionen einfach keine Deletion zu finden ist (diese stammen also vom Wildreis ab), bei anderen ist sie vorhanden und wird durch eine weitere Deletion von einem Basenpaar kompensiert (hier fehlen dann nur wenige Aminosäuren im Rc-Proteine, so dass das Protein noch funktioniert). Diese müssen also vom Kulturreis abstammen. Diese Untersuchungen werden dann parallel auf der Ebene des Merkmals (Anthocyan) betrachtet. Dazu werden Anthocyane aus Karyopsen und Blattgewebe isoliert und über eine Dünnschicht-Chromatographie und/oder spektroskopisch untersucht, um mögliche Unterschiede im Muster zu identifizieren.
 
Betreuung

Dipl. Biol. Annabelle Grimm

Plätze

  • 2 Studierende im Master (als F2, anschliessendes F3 möglich)
  • 1 Studierender im Bachelor (als Modul 8)

Publikationen

100. Grimm A, Fogliatto S, Nick P, Ferrero A, Vidotto F (2013) Microsatellite markers reveal multiple origins for Italian Weedy Rice, Ecol Evolut 3, 4786-4798 - pdf