Mimosa pudica (Mimose, Sinnespflanze)

Mimosa_pudica Karlheinz Knoch
Alles an der Mimose ist zart und filigran - dies erhöht noch den Eindruck der Sensitivität (Bild Karlheinz Knoch).

Während wir Tieren Empfindungen zusprechen, sehen wir Pflanzen häufig als "vegetierende", "empfindungslose" Lebewesen. Eine Pflanze, die auf Berührung mit Bewegung antwortet ist daher etwas, was diesem Vorurteil völlig widerspricht. Kein Wunder, dass die Mimose (Sinnespflanze) seit jeher die Phantasie der Menschen angeregt hat. Die zarten Fiederblättchen und die zarten rosavioletten Blüten verstärkten den Eindruck einer "empfindsamen" Pflanze. Die Bewegung der Fiederblättchen entsteht durch Hin- und Herpumpen von Wasser in die Blattstiele (Pulvini), wodurch sich die Zellen auf einer Seite ausdehnen und dadurch eine Schliessbewegung hervorrufen, also eine Art hydraulisches Prinzip. Dieses Prinzip findet sich auch in anderen pflanzlichen Bewegungen wieder, etwa bei der Krümmung von Keimlingen auf das Licht zu. Nur die Zeitskala unterscheidet sich - während sich pflanzliche Wachstumsbewegungen gewöhnlich im Stundenmaßstab abspielen, ist bei der Mimose alles viel schneller, fast schon in "tierischen" Größenordnungen.

Dies setzt eine sehr schnelle Wahrnehmung und Verarbeitung von Signalen voraus, fast schon so wie bei einem Nervensystem. In der Tat nutzt die Mimose ähnliche Prinzipien: alle Zellen (auch die Zellen anderer Pflanzen) bauen an ihrer Membran eine elektrische Spannung auf. Dies geschieht nicht "mit Absicht", sondern ist eine Folgeerscheinung des Transports von Ionen durch die Membran. Manche Zellen, etwa unsere Nerven- und Sinneszellen nutzen diese Membranspannung dazu, Informationen zu übertragen. Zentral hierfür sind spannungsabhängige Ionenkanäle, also Poren, die sich abhängig von der Membranspannung schlagartig öffnen und einen Stromstoß erzeugen, der dann sehr schnell über die Membran wandert. Für andere Pflanzen ist diese Möglichkeit nicht von Bedeutung, weil sie eine so schnelle Membranleitung gar nicht benötigen. Daher wurde dies in der Evolution nicht weiter entwickelt. Es gibt jedoch einige Pflanzen, die in der Tat schnelle Bewegungen nutzen, weil sie für diese Pflanzen von Vorteil sind. Die Möglichkeit, Insekten zu fangen und so bioverfügbaren Stickstoff zu erhalten, gehört hier dazu (die Venusfliegenfalle nutzt dieses Prinzip), aber auch die Möglichkeit, durch eine schnelle Bewegung einen Fraßfeind zu irritieren und so die Blätter zu schützen (dies ist der Grund für die Blattbewegung der Mimose). Neben Verwundungs- oder Berührungsreizen spielt auch die Tageszeit eine Rolle. Nachts klappt die Mimose die Blätter ein und vermindert so die Attraktivität für Frassfeinde (die Blätter ähneln dann schmerzhaften Dornen). Gesteuert wird diese Schlafbewegung von dem pflanzlichen Sehpigment Phytochrom.

Die zusammengeklappten Blätter müssen erst einmal wieder durch Umpumpen des Wassers zur anderen Seite wieder aufklappen, um wieder richtig Photosynthese betreiben zu können. Wenn man die Mimose also zu sehr ärgert, nimmt sie Schaden. Weglaufen kann sie ja nicht. Bitte halten Sie sich also zurück und quälen Sie die Pflanzen nicht.