Nachhaltiger Weinbau

Schützen und nützen - warum wilder Wein wirklich wertvoll wird
smart_breeding Peter Nick
Mit natürlicher Kreuzung verhelfen wir schwächlichen Kulturreben mit Genen aus Wildreben zu einem besseren Immunsystem.
stilbenes
Wir haben unsere gesamte Wildrebensammlung mit Blick auf Abwehrstoffe (Stilbene) untersucht und hier spannende Kandidaten für die Züchtung gefunden.

Worum geht es bei dieser Forschung?

Wir arbeiten für einen Nachhaltigen Weinbau auf evolutionsbiologischer Grundlage. Aus einem Artenschutzprojekt für die fast ausgestorbene Europäische Wildrebe (die Stammform unserer Kulturrebe) entstand unerwartet eine wertvolle genetische Ressource, die nun für die Züchtung krankheitsresistenter Reben eingesetzt werden kann.

Wie ist die Idee entstanden? Die Weinrebe ist sehr anfällig gegen Krankheitserreger, was großen Aufwand für den Pflanzenschutz mit sich bringt. Beispielsweise gehen etwa 70 % der Fungizidproduktion auf das Konto des Weinbaus. Die meisten dieser Erreger, wie etwa der Falsche Mehltau der Weinrebe (Plasmopara viticola) haben sich gemeinsam mit wilden Weinarten entwickelt, die offenbar gut mit diesem Erreger zurechtkommen. Aber Krankheiten sind nicht alles: durch den Klimawandel bringt neue Herausforderungen wie Trockenheit oder Bodenversalzung. Die Evolution hat viele dieser Probleme schon gelöst. Können wir der Natur also in die Trickkiste schauen?

Rettung aus dem Auwald. Aus einem Artenschutzprojekt für die im Auwald bei Ketsch noch vorkommende Europäische Wildrebe, der Stamm-Mutter unserer Kulturrebe entstand eine wertvolle Sammlung. Hier entdeckten wir züchterisch spannende Resistenzen geben wichtige Rebkrankheiten wie den Falschen Mehltau oder die neue Esca-Krankheit. Die vielversprechendsten Kandidaten wurden schon in Kulturreben eingekreuzt und einige der zugrundeliegenden Gen konnten wir schon identifizieren. Da wir die Genvarianten nun kennen, können wir auch verfolgen, an welche Nachkommen die richtigen Varianten weitergegeben wurden (sogenanntes smart breeding). Unsere Sammlung bildet die komplette genetische Vielfalt ab, die in Deutschland noch übrig ist, ein wertvoller Schatz. Unsere Wildreben werden daher auch international immer wieder nachgefragt. Vor zwei Jahren bot uns die Chinesische Akademie der Wissenschaft an, für fast alle unserer Wildreben das komplette Genom zu entschlüsseln. Derzeit entsteht daraus eine umfangreiche Gendatenbank, wo wir künftig für Gene von Interesse nach interessanten Varianten suchen können.

Was ist unsere Vision?

Wir denken nicht, dass man mit einem Wundergen alle Probleme meistern kann. Wir denken eher, dass wir einen Werkzeugkasten voller Genvarianten benötigen, die wir dann für verschiedene Herausforderungen unterschiedlich kombinieren können. Der Weg der Wahl heißt molekulare Züchtung und hat nichts mit Gentechnik zu tun, denn man greift auf die natürliche Sexualität der Pflanze zurück: Die in den Wildreben gefundenen Genvarianten werden auf herkömmliche Weise in Kulturreben eingekreuzt. Man benutzt jedoch das molekulare Wissen, das von uns und vielen Kollegen in einer internationalen Anstrengung zusammengetragen wurde, um unter den Nachkommen einer solchen Kreuzung schnell und präzise diejenigen herauszusuchen, mit denen man dann weiterarbeiten will. Einen langen Atem braucht man dennoch - Weinreben brauchen einige Jahre, bis sie zum ersten Mal blühen, bis man also weiterzüchten kann. Für die ersten Kreuzungen unserer Wildreben mit Kultursorten, wächst jedoch schon eine umfangreiche Nachkommenschaft heran, die in ein paar Jahren für den nächsten Züchtungsschritt zur Verfügung steht.

Pressestimmen

KIT-Neuland (13.08.2017) Hightech-Hüter der Pflanzenwelt. mehr...

LooKIT (22.09.2013) Schütze und nütze - warum Biodiversität nicht nur für den Naturschutz wichtig ist. Interview über unser Bacchus-Projekt. mehr...

Boulevard Baden-Baden (07.10.2012) "Pilzabwehr mit Mundgeruch" zu unseren Arbeiten zur chemischen Kommunikation zwischen Weinrebe und Falschem Mehltau. Lesen...

Landesschau Baden-Württemberg Aktuell (15.08.2012) Beitrag über unsere Wildrebensammlung und unsere Arbeiten über pflanzliche Abwehrstoffe (sogenannten Stilbenen)

Tickende Uhr für den Ökowein (19.04.2012). Beitrag in Radio KIT. Anhören...