Die Europäische Wildrebe (Vitis sylvestris)

Unsere Wildrebe "Rosa" fühlt sich schon seit vielen Jahren im Garten wohl.
Alle Wildreben werden genau untersucht, vermessen und genetisch eingeordnet. Hier das Datenblatt für "Rosa".

Die Europäische Wildrebe (Vitis sylvestris) ist die Stamm-Mutter unserer Weinrebe. Sie hat die Eiszeit in kleinen Nischen der großen europäischen Ströme überlebt und ist danach entlang dieser Ströme mit dem sich ausbreitenden Auenwald über ganz Europa gewandert. Unsere Kulturrebe ist vor etwa 8000 Jahren in Georgien aus diesen Wildreben entstanden und hat sich dann mit der ältesten Biotechnologie der Menschheit, der Weinerzeugung, von Ost nach West gewandert und hat unterwegs immer wieder mit ihrer Stamm-Form Vitis sylvestris Kontakt aufgenommen und Wildreben-Gene aufgenommen.

Als im 19. Jahrhundert die Flüsse immer mehr reguliert wurden und der natürliche Auwald verschwand, verschwand auch die Europäische Wildrebe. Inzwischen steht sie am Rand der Ausrottung. In vielen europäischen Ländern gibt es schon gar keine Wildreben mehr. Eines der größten natürlichen Vorkommen liegt unweit von Karlsruhe auf der Halbinsel Ketsch. Daneben gibt es noch einzelne Exemplare in den Auen entlang von Rhein, Rhone und Donau. Diese letzten Mohikaner sind nun nicht nur von Inzucht bedroht - viele dieser Pflanzen finden nicht einmal einen Geschlechtspartner mehr. Die Wildrebe ist nämlich zweihäusig, es gibt also männliche und weibliche Pflanzen. Außerdem besteht die Gefahr der genetischen Unterwanderung - der Rhein fließt ja durch die größten Weinbaugebiete Deutschlands und Wildrebe und Kulturrebe könnten sich kreuzen. Schlimmer noch: Wurzelstöcke amerikanischer Rebarten, die im Weinbau als Pfropfunterlagen zur Eindämmung der Reblaus üblich sind, werden aus offengelassenen Weinbergen durch starke Regenfälle in die Flüsse verdriftet und im Auwald angeschwemmt, wo sie nicht nur als sogenannte Neophyten auf dem Vormarsch sind, sondern auch mit der heimischen Wildrebe Bastardisierungen eingehen können.

In dieser extrem bedrohten Situation ist es sinnvoll, zum Mittel der ex-situ Erhaltung zu greifen. Wir haben daher, in einem von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geförderten Projekt gemeinsam mit dem Aueninstitut in Rastatt die verbliebenen Wildreben in Ketsch und anderen Stellen der Rheinebene genau kartiert, davon Stecklinge gewonnen und diese im Botanischen Garten vermehrt. Diese werden nun in mehreren Kampagnen an geeignete Stellen im Auwald ausgebracht. Um einen natürlichen Genfluss sicherzustellen, werden dabei genetisch möglichst unterschiedliche Individuen in Inseln gemeinsam gepflanzt. Voraussetzung dafür war, dass wir die genetische Verwandtschaft mithilfe von Vaterschaftstests (sogenannten Mikrosatelliten) untersucht haben.

Ziel des Projekts ist es, die Wildreben der Oberrheinebene wieder in Stand zu setzen, sich selbständig im Auwald zu behaupten und sich vielleicht sogar wieder auszubreiten.

Dieses Erhaltungsprojekt hatte jedoch noch einen unerwarteten Nebeneffekt. Bei einer genaueren Untersuchung der Wildreben stellte sich heraus, dass einige gegen im Weinbau weit verbreitete Krankheiten wie Falscher Mehltau, Echter Mehltau oder Schwarzfäule, immun sind. Sogar gegen die sich infolge der Globalen Erwärmung ausbreitenden neuen Esca-Krankheit konnten wir inzwischen Resistenzen finden. Inzwischen haben wir im Botanischen Garten eine vollständige genetische Kopie der in Deutschland noch vorhandenen Wildreben aufgebaut und haben in zwei weiteren Projekten damit begonnen, diese genetischen Ressourcen für den nachhaltigen Weinbau nutzbar zu machen.

An diesem Beispiel lässt sich sehr schön zeigen, dass Artenschutz auch einen handfesten Nutzen für den Menschen mit sich bringen kann. mehr dazu...