Wildreben-Sammlung

GrapeKIT
In unserer Genomdatenbank GrapeKIT sind schon fast 200 vollständig entzifferte Genome von Wildreben eingearbeitet.
Vitis_Sammlung
Die international bekannte Sammlung von Wildreben steht im Mittelpunkt mehrerer Forschungsprojekte.

Die Wildreben-Sammlung ist mit Sicherheit die wichtigste genetische Ressource des Botanischen Gartens und ist national, aber auch international in mehrere Forschungsprojekte eingebunden. Sie besteht aus folgenden Bausteinen:

Die Vitis sylvestris Sammlung - Die Europäische Wildrebe (Vitis sylvestris) ist die Stamm-Mutter unserer Kulturreben, aber inzwischen am Rande des Aussterbens. Ursprünglich entstand sie im Rahmen eines Rettungsprogramms. Im Auftrag der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Projekts sollten die letzten Vertreter dieser Art gefunden werden, um davon Steckhölzer zu gewinnen, mit denen man die Pflanzen dann im Botanischen Garten vermehren und an geeigneten Orten wieder ausbringen konnte. In den Auwald-Dschungeln der Rheininsel Ketsch konnten wir in den Jahren 2007-2011 noch über 70 Individuen aufspüren, hinzu kamen noch einzelne, "letzte Mohikaner" von anderen Standorten. Inzwischen konnten wir noch weitere bedrohte Populationen hier auffangen, unter anderem eine bedeutende Sammlung aus Armenien (wo vor 9000 Jahren die Kulturrebe entstand). Mit ihren inzwischen weit über 100 verschiedenen Genotypen bildet diese Sammlung inzwischen den gesamten, in Deutschland noch existierende genetische Diversität für diese hochbedrohte Art ab. Durch zahlreiche sorgfältige Untersuchungen zu Gestalt, zellulärem Aufbau, genetischer Struktur und Reaktion auf verschiedene Krankheitserreger ist diese Sammlung inzwischen zu einer begehrten genetischen Ressource geworden, die nicht nur in den nationalen Plan zur Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen des Bundesministeriums für Landwirtschaft eingebunden ist, sondern auch international bis nach China nachgefragt wird. Gemeinsam mit der Chinesischen Akademie der Wissenschaften konnten fast 200 Genome entschlüsselt werden. Diese sind nun in der Datenbank GrapeKIT abgelegt. Bei unseren Forschungen konnten wir in dieser Sammlung genetische Faktoren entdecken, die eine bessere Resilienz gegen zahlreiche Krankheiten, aber auch gegen die Herausforderungen des Klimawandels verursachen. Daher ist diese Sammlung auch für die Rebzüchtung interessant geworden. Hierzu laufen mehrere nationale und internationale Drittmittelprojekte mit dem Ziel, den Weinbau nachhaltiger zu machen. Da wir einige der hier wichtigen Gene schon identifiziert haben, können wir in unserer Datenbank nachforschen, welche Spielarten für dieses Gen existieren und dann die zugehörige Pflanze aus unserer Sammlung heraussuchen und damit weiterarbeiten. Unser neuestes Projekt: im Rahmen eines neuen Interreg-Oberrhein Netzwerks, das von uns koordiniert wird, wollen wir mithilfe solcher Faktoren aus der Wildrebe neue Sorten züchten, die Klima-Widerstandsfähig sind. Diese KliWi-Reben sollten dabei helfen, den Weinbau in der Region gegen die Folgen des Klimawandels zu wappnen.

Artensammlung Vitis - Diese Sammlung entstand in den Jahren 2005-2010 und enthält von fast allen Arten, die weltweit bekannt sind, mindestens einen Vertreter. Anhand dieser Sammlung konnte erstmals ein molekularer Stammbaum der Gattung Weinrebe entwickelt werden (Tröndle et al. 2010). Ausserdem wurden an dieser Sammlung die Reaktion auf den Falschen Mehltau (Plasmopara viticola) untersucht und dabei entdeckt, dass Wildreben aus China einen Duftstoff absondern, der die begeißelten Sporen dieses Krankheitserregers so verwirren, dass er die Spaltöffnungen nicht findet (Jürges et al. 2009). Die Sammlung umfasst auch Vertreter verwandter Gattungen, wie etwa den Dschungelwein Leea guinense oder mehrere Vertreter der in den Wüsten Südafrikas vorkommenden sukkulenten Cyphostemma. Diese Sammlung wird für evolutionsbiologische Untersuchungen im Zusammenhang mit Krankheiten der Weinrebe immer wieder nachgefragt.

Die Kulturreben-Sammlung - Da die Vielfalt der Kulturreben an mehreren anderen Standorten in Deutschland wie dem Julius-Kühn-Institut Geilweilerhof gut abgebildet ist, setzen wir unseren Schwerpunkt auf alte Landrassen, die in den anderen Sammlungen nicht kultiviert werden. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die mehr als 30 Mittelalterrebsorten, die als ausgestorben galten, aber von Dr. Andreas Jung in aufgelassenen Weinbergen in Thüringen wiederentdeckt und mithilfe von alten Stichen und modernsten molekulargenetischen Methoden identifiziert werden konnten. Hinzu kommt noch unsere Sammlung von sogenannten Teinturier- (Färber-)Reben, mit denen man traditionell Rotweine nachfärbt. Diese Reben zeichnen sich dadurch aus, dass die Bildung von Farbstoffen unkontrolliert abläuft, so dass auch das Fruchtfleisch der Beeren und oft auch die Blätter rot gefärbt sind. In dieser Sammlung haben wir Teinturier-Reben aus aller Welt vereinigt und untersuchen zur Zeit, wie dieses Merkmal bei der Domestizierung der Weinrebe mehrmals unabhängig entstanden ist. Zusätzlich zu interessanten Landrassen aus Tunesien und den Kanaren kultivieren wir natürlich auch viele der wirtschaftlich bedeutsamen Rebsorten, um hier auch Aussagen zu gewinnen, die für die Weinwirtschaft relevant sind.

Charakterisierung - Unsere inzwischen mehrere 100 Genotypen umfassende Sammlung wird sorgfältig untersucht und charakterisiert, um sicherzustellen, dass die so gewonnenen Daten zu einem Gesamtbild verknüpft werden können, trägt jede unserer Reben einen Identifizierungscode, der sich nie ändert, auch wenn die Rebe (was ab und zu vorkommt) sich als eine andere Art oder Sorte herausstellt. Neben genetischen Kartierungen mit hochauflösenden Mikrosatelliten (wie sie für Vaterschaftstests eingesetzt werden) führen wir auch detaillierte mikroskopische Untersuchungen der Blattstruktur durch. Wie dicht stehen die Spaltöffnungen, gibt es Wachs-Strukturen, wie sind die Blätter geformt? Das wird alles gemessen, gezählt und dokumentiert. Darüberhinaus werden systematische Untersuchungen auf Resistenzfaktoren gegen Rebkrankheiten wie Falschem Mehltau, Echtem Mehltau, Schwarzfäule, aber auch die sich neu ausbreitende Esca-Krankheit durchgeführt. Ebenso wurden große Teile der Sammlung schon auf die Fähigkeit hin kartiert, Abwehrstoffe (sogenannte Stilbene) zu bilden. Wenn wir fündig werden, gehen wir der Sache in Forschungsprojekten nach und konnten so auch schon neue spannende Gene finden, etwa eine besonders aktive Version des Genschalters MYB14, der Stilbenbildung aktivieren kann. Hier wurden auch schon im Zusammenhang mit dem Julius-Kühn-Institut Geilweilerhof Kreuzungen mit Kulturreben durchgeführt, um solche Resistenzfaktoren für die Züchtung nutzen zu können. Inzwischen konnten wir zahlreiche Genome ganz entziffern und in der GrapeKIT Datenbank abliefern. Dies wird die Suche nach neuen Resilienzfaktoren deutlich erleichtern.