Der Actin-Auxin Oszillator

Was ist der Actin-Auxin Oszillator? Actin ist schon lange als Teil des sogenannten Zellskeletts bekannt, was bei tierischen Zellen als Gerüst den Aufbau der Zelle steuert und auch für die Fortbewegung wichtig ist. Bei Pflanzenzellen wird der Aufbau durch die starre Zellwand gesichert und Fortbewegung ist bei den ortsteten Pflanzen kein Thema. Im Laufe von fast 25 Jahren haben wir uns damit auseinandergesetzt, wozu Pflanzenzellen dann Actin ("Zellmuskeln") brauchen. Unsere Antwort ist: als Sinnesorgan. Actinfilamente können sich abhängig von Auxin (aber auch anderen Signalen, wie reaktive Sauerstoff-Spezies) in feine Fasern entspannen oder zu dicken Bündeln kontrahieren. Dies hat wiederum einen Einfluss auf den Transport von Auxin, dem wohl wichtigsten Pflanzenhormon: die Pumpen, die Auxin gerichtet aus der Zelle hinausbefördern, werden nämlich entlang von Actin an ihren Wirkort, die Zellmembran, transportiert. Wir haben hier also eine Rückkopplung zwischen Actin und Auxin, der mit einer Frequenz von etwa 20 Minuten schwingt. Dieser Schwingkreis erlaubt es Zellen, sich mit ihren Nachbarn zu synchronisieren und wir vermuten, dass wir damit den Kernpunkt der pflanzlichen Selbstorganisation gefunden haben.

 

Wie kann Actin auf Auxin reagieren? Um diesen Actin-Auxin Oszillator zu verstehen, müssen wir natürlich untersuchen, durch welche molekulare Prozesse die Actinfilamente auf das Auxin reagieren und sich dann zu feinen Fäden entspannen. Da Actin selbst ein recht konservatives Protein ist, kommt die Reaktion vermutlich eher durch Proteine zustande, die an Actin binden und es dadurch verändern. Wir haben verschiedener solcher Actinbindeproteine auf gentechnischem Wege hochgeregelt und dann untersucht, ob dadurch die "Muskeln der Zelle" in Dauerkrampf verfallen und ob man diesen Krampf durch Zugabe von Auxin wieder heilen kann. Auf diesem Wege stießen wir auf den Actin-Depolymerization Factor 2 (ADF2), der auf Auxin reagiert und dann die Entspannung der Actinfilamente aktiviert. Wird ADF2 hochgeregelt, führt das zu Störungen der Selbstorganisation und die Resonanz der Zellteilungen verschwindet. Diesen Defekt kann man jedoch wieder heilen, wenn man das überschüssige ADF2 durch einen Membrananker namens PIP2 aus dem Verkehr zieht oder wenn man die Actinfilamente durch eine milde Behandlung mit Phalloidin (einem Giftstoff aus dem Knollenblätterpilz) stabilisiert. Wir denken daher, dass ADF2 eine zentrale Schaltstelle des Actin-Auxin Oszillators ist.

 

Ist Actin ein Auxin-Sensor? Wenn Actin auf Auxin reagiert, heißt das noch lange nicht, dass die Zelle diese Reaktion dafür benutzt, um Auxin wahrzunehmen. Wenn jemand in einer dunklen Gefängniszelle sitzt und nicht zur Tür geht, wenn man diese öffnet und Licht in die Zelle strömt, heißt das ja auch nicht, dass der Gefangene blind ist, vielleicht kann er nur nicht gehen. Da wir Zellen nicht fragen können, müssen wir auf andere Weise herausbekommen, ob sie Auxin über Actin auch wirklich wahrnehmen. Ein Weg besteht darin, dass man die Actindynamik durch Überangebot eines Actinbindeproteins verringert und dann untersucht, ob sich die Auxinreaktionen verändern. Wenn die Zellen nun einfach nicht oder schwach reagieren, ist das für sich allein noch kein Beleg, sie könnten ja, so wie der Gefangene, einfach nicht richtig gehen können. Wenn man zeigen kann, dass der Gefangene in Antwort auf stärkere Reize doch gehen kann, wäre das ein Beweis, dass er offenbar schlecht sehen kann. Übertragen heißt dass, wenn wir zeigen können, dass die Zellen durchaus noch reagieren, wenn man die Stärke des Auxinsignals steigert, dann wäre damit auch gezeigt, dass (dynamisches) Actin tatsächlich für die Wahrnehmung verantwortlich ist. Genau diesen Weg sind wir vor kurzem gegangen. mehr...