Mikrotubuli als Bindeglied zwischen Umwelt und Form

Die Mikrotubuli verknüpfen Umweltsignale und Formbildung, eine Schlüsselfähigkeit der Pflanzen.

Veröffentlichung

[3] Nick P (1998) Signalling to the microtubular cytoskeleton in plants. Int Rev Cytol 184, 33-80 (54 Zitate, Stand 27.12.2015) - pdf

Worum geht es?

Die Mikrotubuli sind allgemein bekannt als Baustein der Teilungsspindel. Weniger bekannt ist freilich, dass sie zunächst gar nicht erkannt wurden. Entdeckt wurden die Mikrotubuli nämlich in Pflanzenzellen - 1963 durch Ledbetter und Porter. Spannend dabei: ein Jahr vor ihrer Entdeckung wurden sie vorhergesagt, von dem Biophysiker Paul Green (1962). Er schaute nämlich durch die Brille der Physik auf das Wachstum der Pflanzenzellen und stellte fest, dass die Aufnahme von Wasser in die Vakuole eigentlich dazu führen müsste, dass Pflanzenzellen in die Breite gehen, nicht aber in die Länge. Daraus schloss er, dass die Zellwand nicht in allen Richtungen gleich dehnbar sein könne, sondern dass sie in Querrichtung steifer sei als in Längsrichtung. Daher müsse die Zelle über einen Mechanismus verfügen, die Richtung der Zellulosefasern in der Zellwand zu steuern. Dieser Mechanismus müsse von kleinen Röhrchen ("micro-tubules") abhängen. Diese "Mikro-Tubuli" wurden dann ein Jahr später mit der damals neuen Technik der Elektronenmikroskopie auch tatsächlich entdeckt. Erst Jahre später kam man dahinter, dass die Fasern der Teilungsspindel ebenfalls aus Mikrotubuli bestehen.

Pflanzliche Mikrotubuli haben also etwas mit der Kontrolle von Form zu tun. Da Pflanzen nicht wegrennen können, wenn ihnen die Umwelt nicht zusagt, bleibt ihnen nur der Weg der Anpassung. Ein Teil dieser Anpassung ist die Veränderung der Pflanzengestalt. Wie sehr Signale aus der Umwelt die Pflanzengestalt verändern können, weiß jeder, dem einmal im dunklen Kartoffelkeller die Kartoffeln ausgetrieben sind - diese langen und dünnen, etiolierten (zu deutsch: vergeilten) Keimlinge stecken ihre ganze Energie in Längenwachstum. Der biologische Zweck ist natürlich, das Licht zu erreichen. Im Licht wird das Längenwachstum sofort eingestellt. Licht ist auch das Signal, das am schnellsten auf die Mikrotubuli einwirkt. Sie ändern nämlich ihre Richtung von quer nach längs und da die Mikrotubuli als Bewegungsschienen für die Enzyme wirken, die Zellulose bilden, ist daher die Zellulose ebenfalls längs orientiert. Die Zelle wächst dann in die Breite, nicht in die Länge. Im Dunkeln sind die Mikrotubuli dagegen quer orientiert und das ist die Ursache für die Vergeilung von Keimlingen im Dunkeln.

Diese Arbeit fasste das gesamte damals verfügbare Wissen über die Reaktionen der Mikrotubuli auf verschiedene Umweltsignale wie Licht, Schwerkraft, mechanische Reizung oder Mikroorganismen zusammen und untersuchte auch die Frage, inwieweit diese Reaktionen durch Hormone vermittelt werden und wie sie in die Biologie der Pflanze eingebunden sind. Selbst nach fast zwei Jahrzehnten wird die Arbeit immer noch zitiert, weil sie auch das klassische Wissen über Signalantworten von Pflanzen berücksichtigt.