Christine Hertler: Extended Evolution

Makroevolution, die Entwicklung neuer Baupläne oder die Bildung komplexer Strukturen, die ihre Funktion nur als Gesamtheit erfüllen (etwa das Auge) ist vielleicht die härteste Nuss der Evolutionstheorie. Darwin hat sich um diese Frage immer ein wenig herumgedrückt und in die vor allem in USA grassierenden pseudointellektuellen Formen des Kreationismus, das sogenannte Intelligent Design, legt hier den Finger in die Wunde, um daraus den Beweis abzuleiten, dass es eben doch einen Schöpfer gegeben habe. 

Können wir die Evolution solch komplexer Formen auf rationale Weise erklären?

Hier genügt es nicht, sich den Organismus isoliert anzuschauen, es kommt auf das Umfeld an, den funktionellen Bezug. Wenn sich dieser Bezug ändert, kann es dazu kommen, dass mit relativ wenig Genetik relativ viel Änderung geschieht. Eindrückliches Beispiel ist die Evolution der Menschen - hier kam es im Zug einer Klimaveränderung in Ostafrika vor etwa 2.5 Millionen Jahren zu einer Nahrungskrise. Im Rahmen dieser Krise gewann eine neue (genetisch eher unscheinbare) Erfindung: die Kultur eine große Bedeutung. Damit begann eine völlig neue evolutionäre Geschichte, wo plötzlich ganz andere Selektionsfaktoren im Vordergrund standen.

Sprecherin: Christine Hertler promovierte am Senckenberg-Museum über Paläoanthropologie und arbeitete danach als Koordinatorin in einem Projekt über die Urmenschen Südostasiens, lehrte in Frankfurt und Tübingen und ist seit 2008 für die Heidelberger Akademie der Wissenschaft am Senckenberg-Museum tätig. Ihr großes Thema ist die Rolle der Kultur für die Menschwerdung.