Aktuelle Pressemeldungen

Zellen brauchen Kompetenz

In der Biotechnologie werden Zellen oft als "Biomasse" bezeichnet. Das klingt ein wenig so, als ob die Natur der Zellen letztendlich egal sei, solange nur die entsprechenden Gene (die ja oft über Gentechnologie eingeführt werden) vorhanden sind. In Wirklichkeit spielt die individuelle Besonderheit der erzeugenden Zelle eine große Rolle. Dies lässt sich sehr gut an medizinisch wichtigen Pflanzenstoffen beobachten, die häufig aus "Teamwork" mehrerer Zelltypen entstehen, wobei jeder Zelltyp eine andere Art von chemischer Reaktion durchführt. Am Beispiel von Catharanthus roseus, einer Heilpflanze aus Madagaskar, haben wir untersucht, ob wir das biotechnologisch nachstellen können. Diese Pflanze bildet Vincristin, einen sehr wirksamen Tumorwirkstoff - freilich braucht man 200 kg Blattmaterial, um 1 mg zu bekommen, weshalb dieser Stoff sehr teuer ist. Seit den 1960er Jahren wird daher versucht, den Stoff über Zellkulturen zu erzeugen, was immer fehlgeschlagen ist. Wir vermuteten, dass das daran liegt, dass man, so wie in der Pflanze auch, unterschiedliche Zelltypen zusammenbringen muss. Gemeinsam mit der Firma Phyton aus Ahrensburg machten wir uns auf die Suche nach unterschiedlichen Zelltypen und wurden fündig. Zwei Catharanthus-Zell-Linien, Cat1 und Cat4, aktivieren jeweils unterschiedliche Zweige des Stoff-Wechselwegs, die sich gegenseitig unterdrücken. Diese Zellen besitzen eine unterschiedliche metabolische Kompetenz. Als wir nun die Cat4 Zellen mit der von Cat1 erzeugten Vorstufe fütterten und durch das Stress-Hormon Jasmonsäure die Abwehr ankurbelten, konnten wir tatsächlich zum ersten Mal Vincristine erzeugen und über massenspektroskopische Verfahren eindeutig nachweisen. Die Mengen sind leider noch sehr gering, aber diese Arbeit zeigt, dass es prinzipiell möglich ist, wenn man die Vielfalt pflanzlicher Zellen und ihre individuelle Kompetenz ernst nimmt.

 

Veröffentlichung

190. Raorane ML, Manz C, Hildebrandt S, Mielke M, Thieme A, Keller J, Bunzel M, Nick P (2023) Cell type matters: competence for alkaloid metabolism differs in two seed-derived cell strains of Catharanthus roseus. Protoplasma 260, 349-369 - pdf

Was gibt es Neues?  Bioherbizid aus Minze

Ohne Pflanzenschutz geht es nicht - aber unsere bisherigen Herbizide belasten die Umwelt, vergiften das Grundwasser und richten allerlei Kollateralschäden an harmlosen oder gar nützlichen Lebewesen an. Wir brauchen mehr Spezifität. Die gibt es - alle Lebewesen nutzen vielfältige Signale, um andere in ihrem Sinne zu beeinflussen. Könnten wir uns das zunutze machen? Genau das haben wir hier getan: Minzen sind sehr durchsetzungsstark und duften je nach Art sehr unterschiedlich. Wir haben herausgefunden, dass diese Düfte Signale sind, mit denen sie andere Pflanzen zum Selbstmord überreden. Für die Pferdeminze haben wir das genauer untersucht und daraus eine Anwendung entwickelt, mit dem wir die Ackerwinde im Ökogetreideanbau unterdrücken können.

Veröffentlichung:

195. Sarheed M, Schärer HJ, Wang-Müller QY, Flury P, Maes C, Genva M, Fauconnier ML, Nick P (2023) Signal, not poison – Horsemint essential oil for weed control. Agriculture 13, 712 - pdf

 

M4F Aktuell: Gesunde Kommunikation

Esca & Co ist eigentlich eine stressbedingte Krankheit. Die verursachenden Pilze können viele Jahre im Holz siedeln, ohne Symptome zu verursachen. Wenn die Pflanze jedoch Klimastress ausgesetzt wird, wie es auch hierzulande immer öfter geschieht, kann der Pilz das wahrnehmen und bringt seinen Wirt um. In einer Kooperation mit dem Institut für Biologische Wirkstoff-Forschung (IBWF) in Kaiserslautern konnten wir zeigen, dass der Wirt unter Stress Ferulasäure anhäuft, weil diese Vorstufe des Holzstoffs Lignin nicht mehr eingebaut werden kann. Der Pilz Neofusicoccum parvum hat "gelernt", Ferulasäure als Signal für die Krise der Wirtspflanze zu erkennen und reagiert damit mit der Bildung von Fusicoccin A, womit er den Wirt in den Selbstmord treibt, so dass er sich an der Leiche gütlich tun kann, um so die Energie für die Bildung von Sporen zu beziehen. Was aber geschieht, solange der Wirt gesund ist? Dann erzeugt der Pilz 4-Hydroxyphenyl-Essigsäure, was als Wuchsstoff fungiert und das Immunsystem des Wirts so manipuliert, dass er Pterostilben nicht mehr bilden kann - das ist der Abwehrstoff, der gegen diesen Pilz gerichtet ist. Ohne Klimastress könnte der Pilz also sogar für uns von Nutzen sein. Können wir diese ausgefuchste Kommunikation so beeinflussen, dass auch unter Klimastress 4-Hydroxyphenyl-Essigsäure gebildet wird? Dann würde der Ausbruch der Krankheit verhindert. Genau daran arbeiten wir im Rahmen unseres vom Strategiefond des Präsidiums geförderten Projekt Microbes for Future (M4F). Die Arbeit über die "gesunde Kommunikation" ist nun in der hochrangigen Zeitschrift Plant Cell & Environment erschienen:

202. Flubacher NS, Baltenweck R, Hugueney P, Fischer J, Thines E, Riemann M, Nick P, Khattab IM (2023) The fungal metabolite 4-hydroxyphenylacetic acid from Neofusicoccum parvum modulates defence responses in grapevine. Plant Cell & Environment, doi 10.1111/pce.14670 - pdf

Reis für den Klimawandel

Der Klimawandel hinterlässt schon deutliche Spuren bei der Ernährungssicherheit. Dabei geht es nicht nur um Trockenheit, sondern auch andere Herausforderungen, wie etwa die zunehmende Versalzung von Böden, weil der Meeresspiegel ansteigt. Vor allem in den küstennahen Reisanbaugebieten in Ägypten, Bangladesh oder Vietnam wird das immer mehr spürbar. Dr. Michael Riemann, der unsere Pflanzenstress-Gruppe leitet, untersucht daher, welche Rolle die Jasmonate dabei spielen, eine Art pflanzliches Adrenalin. Dabei hat er entdeckt, dass nicht nur die Bildung von Jasmonaten, sondern auch ihr Abbau für die Stress-Resilienz eine zentrale Rolle spielen. Für diese Arbeiten ist vor allem die (unter anderem auch durch EUCOR geförderte) Zusammenarbeit mit Dr. Thierry Heitz am IBMP in Strasbourg wichtig, aber auch zahlreiche andere Partner in Deutschland und weltweit. Dr. Riemann hat daher das German Rice Research Network ins Leben gerufen, um die Arbeiten zur Klimaresilienz dieser zentralen Nahrungspflanze zu koordinieren. Mehr dazu in einem Beitrag im CAMPUS-RADIO.

Was gibt es Neues? Neuer Zelltyp bildet Antitumorstoff

Das Alkaloid Paclitaxel aus der Pazifischen Eibe (Taxus brevifolia) blockiert die Mitosespindel und ist daher eine wichtige Komponente vieler Chemotherapien gegen Krebs. Der bedrohte und langsam wachsende Baum wurde in den 1980er Jahren fast zum Aussterben gebracht. Über Zellkulturen gelang es der Firma Phyton in Ahrensburg, über Pflanzliche Zellfermentation etwa die Hälfte des Weltmarkts zu bedienen. Der Prozess ist sehr aufwendig und langwierig, obwohl die Kulturen in riesigen Edelstahlreaktoren schnell anwachsen. In einem vom BMBF geförderten Kooperationsprojekt haben wir nun den Grund gefunden. Paclitaxel wird nur von einem kleinen Teil der Zellen erzeugt. Bei diesen Zellen wird die Struktur des Cytoplasmas aufgelöst, bis das Zellinnere fast vollständig von einer derbwandigen Vacuole erfüllt ist. Wir haben nun herausgefunden, wie diese Umwandlung gesteuert wird und konnten zeigen, dass das wertvolle Produkt nicht auf gewöhnlichem Wege sezerniert wird, sondern über sogenannte Multivesicular Bodies  nach außen gelangt.

Veröffentlichung: Manz C, Raorane ML, Maisch J, Nick P (2022) Switching Cell Fate by the Actin-Auxin Oscillator in Taxus – Cellular Aspects of Plant Cell Fermentation. Plant Cell Rep 41, 2363-2378 - pdf