2015_04 Wie der Kern den Raum erkundet

Der Zellkern erkundet wandernd die Geometrie des Raums, bevor er die Polarität der Zelle festlegt. In einem DFG-Projekt untersuchen wir, wie.

What is the topic?

Die pflanzliche Gestalt wird durch eine "Richtung" der einzelnen Zellen geprägt. Ähnlich wie Elementarmagneten sind Pflanzenzellen in der Lage, sich mithilfe des dynamischen Zellskeletts als "Kompassnadel" an Signalen ihrer Umgebung zu orientieren. Wir haben ein experimentelles System entwickelt, mit dem wir diesen Vorgang der "Richtungsfindung" beobachten können. Dabei zeigte sich, dass im ersten Schritt der Zellkern die Mitte der Zelle finden muss. Dann wird von dieser Mitte aus erst das Actinskelett ("Muskeln der Pflanzenzelle") organisiert und gibt eine Pfeilspitze vor. Senkrecht zu diesem Pfeil richten sich dann die Mikrotubuli aus und erzeugen dann eine parallele Ausrichtung der Cellulose in der Zellwand. Durch die Faserrichtung wird dann das Wachstum der sich ausdehnenden Zelle in die Längsachse gezwungen. Woher weiß nun der Zellkern, wo die Mitte ist? Es gibt keinen übergeordneten Beobachter, der ihm beim Rangieren und "Einparken" hilft. Wir wissen inzwischen, dass der Zellkern an Actin und Mikrotubuli aufgehängt ist und sich mithilfe von nur bei Pflanzen vorkommenden, sogenannten KCH-Motoren, fortbewegt. Actin ist biegsam und kann Zugkräfte übertragen, Mikrotubuli sind steif und können Druckkräfte übertragen. Die Verknüpfung beider Elemente über die KCH-Motoren schafft eine sogenannte Tensegrität, ein in der modernen Architektur oder Technik verbreitetes Prinzip, wo man durch elastisch miteinander verspannte Stäbe mit wenig Materialeinsatz große Stabilität erzeugt. Der Vorteil solcher tensegraler Systeme ist die Entstehung einer mechanischen Ganzheit - mechanische Kräfte können über die Zelle als Ganzes hinweg wahrgenommen werden. Wir wollen in dem Projekt die Idee überprüfen, dass der Zellkern mithilfe des tensegralen Zellskeletts in der Lage ist, seine Position in der Zelle zu bestimmen und solange herumwandert, bis er den Punkt geringster Spannung in der Zellmitte gefunden hat. Das Zellskelett wurde traditionell vor allem als Gerüst gesehen, dass die Struktur einer Zelle aufrechterhält - unser Projekt schafft einen neuen Blickpunkt: das Zellskelett der Pflanzenzelle ist vermutlich eher eine Art Sinnesorgan, mit dem die Zelle ihre Geometrie wahrnehmen und verändern kann, ähnlich wie wir Menschen mithilfe von Muskelspannungen ein inneres Bild unseres eigenen Körpers gewinnen.

Projekt

DFG-Projekt NI 324/20-1: Wie Pflanzen Symmetrie messen: Kernpositionierung bei Pflanzenzellen, 2 Jahre Postdoc-Stelle zzgl. 30 T€ Sachmittel