Mikrotubuli und Stress beim Reis

Mikrotubuli galten lange als architektonisches Gerüst - wir haben herausgefunden, dass sie als Sinnesorgane der Zelle wirken, z.B. bei der Wahrnehmung von Kälte.

Worum geht es?

Reis ist die wichtigste Nahrungspflanze auf diesem Planeten. Gleichzeitig sind die gefluteten Reisfelder einer der größten Erzeuger von Treibhausgasen auf diesem Planeten. Wenn es gelingt, Reis gegenüber Trockenheit toleranter zu machen, kann man dadurch die Zeit verkürzen, zu der die Felder geflutet sein müssen. Mehr Trockentoleranz bedeutet also mehr Schutz gegen die globale Erwärmung. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Verbesserung der Architektur - kürzere, aber stabilere Halme bedeuten weniger Verlust durch Windfall, günstigere Blattwinkel bedeuten bessere Umwandlung der Sonnenenergie in Speicherstoffe.

 

Warum sind Mikrotubuli hier wichtig?

Mikrotubuli spielen für alle drei Merkmale - Trockentoleranz, Halmverkürzung, Blattwinkel - eine wichtige Rolle. Die Orientierung der sogenannten corticalen Mikrotubuli legt fest, wie stark sich die Zellen verlängern oder verbreitern und bestimmt dadurch auch die Gestalt der Pflanze. Neben dieser architektonischen Funktion sind Mikrotubuli auch Sinnesstrukturen, mit denen Pflanzenzellen mechanische Belastung (Wassermangel, Salzstress, aber auch Schwerkraft) wahrnehmen und so darauf reagieren können. Für diese Sinnesfunktion müssen die Mikrotubuli nicht einfach nur vorhanden sein - sie müssen sich gleichzeitig ab- und wieder aufbauen. Von dieser Dynamik hängt es ab, wie gut Pflanzen auf widrige Umweltbedingungen reagieren können. Dies bietet auch eine Ansatzstelle, um die Stresstoleranz zu verbessern. Genau das haben wir vor.

 

Wie gehen wir diese Frage an?

Mikrotubuli bestehen aus zwei Bausteinen, alpha- und beta-Tubulin, die in jeweils mehreren Varianten genetisch kodiert sind. Die alpha-Tubuline kommen in zwei Formen vor - wenn das Tubulingen abgelesen wird, entsteht zunächst einmal eine alpha-Tubulin Form, deren letzte Aminosäure ein Tyrosin ist. Dieses Tyrosin kann durch ein Enzym (die Tubulinyl-Tyrosin Carboxylase, TTC) abgespalten werden, so dass detyrosiniertes alpha-Tubulin entsteht. Witzigerweise kann ein anderes Enzym (die Tubulin-Tyrosin Ligase, TTL) dieses Tyrosin wieder anhängen. Es entsteht so ein Kreislauf von detyrosiniertem und retyrosiniertem alpha-Tubulin. Detyrosiniertes Tubulin findet sich vor allem in stabilen Mikrotubuli, während sehr dynamische Mikrotubuli vorwiegend aus retyrosiniertem Tubulin bestehen. Dieser kuriose Zyklus scheint bei allen Eukaryoten (also allen Organismen mit einem Zellkern) vorzukommen, zumindest haben alle alpha-Tubuline am Ende dieses Tyrosin erhalten. Das Ganze scheint also sehr wichtig zu sein - wir sind aber noch weit davon entfernt, den Sinn dieses Phänomens zu verstehen.

Wir haben daher die TTL aus Reis kloniert und entweder in Tabakzellen oder in Reis überexprimiert. Wir haben so also eine Situation geschaffen, wodurch mehr tyrosiniertes Tubulin vorliegt. Wir spiegeln der Zelle also vor, dass die Mikrotubuli nun dynamischer geworden sind.

Nun untersuchen wir, wie die Pflanze dieses vorgespiegelte Signal deutet. Daraus hoffen wir, den biologischen Sinn des Detyrosinierungs- / Retyrosinierungszyklus verstehen zu können. Wenn wir es verstanden haben, können wir im nächsten Schritt versuchen, auf züchterischem Wege diesen Zyklus in einer günstigen Weise zu verschieben. Da es sich hier um ein Signal und seine Deutung handelt, hoffen wir auf diesem Wege sehr präzise Werkzeuge zur Anpassung der Stresstoleranz in die Hand zu bekommen.