2017_02 Metabolisches LEGO

Über die Kombination verschiedener Zelltypen stellen wir technisch nach, wie verschiedene Zellen in einer Pflanze bei der Erzeugung von interessanten Inhaltsstoffen zusammenarbeiten. Damit gelang es erstmals, in Zellkultur den Alzheimer-Wirkstoff

Worum geht es?

 

Pflanzen können mehr als eine Million sogenannter Sekundärstoffe bilden. Wozu? Da sie nicht weglaufen können, haben sich Pflanzen während ihrer Evolution darauf verlegt, andere Organismen für ihre Zwecke zu manipulieren. Viele dieser Inhaltsstoffe wirken daher auch auf den Menschen und bilden die molekulare Grundlage für die heilende Wirkung vieler Pflanzen. Seit einigen Jahren arbeiten wir daran, diese Sekundärstoffe in Zellkulturen erzeugen zu können, um so nachhaltige Alternativen zum Besammeln und Extrahieren oft bedrohter und seltener Pflanzen aufzubauen. Häufig lassen sich diese Wirkstoffe in Zellkultur nicht erzeugen, weil Pflanzenchemie Teamarbeit ist, bei der verschiedene Zellen zusammenarbeiten müssen. Dieses "metabolische LEGO" lässt sich in einem Bioreaktor nur schwer nachstellen. Um das Zusammenspiel verschiedener Zellen auch biotechnologisch abbilden zu können, haben wir daher gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Dr. Andreas Guber (Institut für Mikrostrukturtechnologie, IMT, Campus Nord) einen mikrofluidischen Bioreaktor für Pflanzenzellen entwickelt, dessen Anwendung bei der Erzeugung von pharmazeutischen Wirkstoffen derzeit im Rahmen eines vom BMBF geförderten Projekts erprobt wird.

 

Modulare Metabolik - funktioniert das?

Aber bringt das überhaupt etwas, verschiedene Zelltypen zu kombinieren? Um dafür den Beweis (sogenannter proof-of-principle) führen zu können, haben wir uns mit dem Alkaloid-Stoffwechsel von Tabak auseinandergesetzt. Der wohl bekannteste Inhaltsstoff von Tabak, das Nicotin, wird in der Wurzel gebildet, wenn die Pflanze von Raupen attackiert wird. Nicotin wird dann in die Blätter transportiert und eingelagert, so dass sich der Angreifer beim Fressen selbst vergiftet. Bei manchen Tabakarten wird das Nicotin in den Blättern über eine Nicotin-Demethylase zu dem medizinisch interessanten Nornicotin umgewandelt. Diesem Alkaloid wird inzwischen eine hohe Wirksamkeit gegen Alzheimer zugesprochen (Achtung: Rauchen nützt nichts - beim Rauchen wird das Nornicotin nitrosyliert und verliert nicht nur seine Wirksamkeit sondern wird auch noch extrem krebserregend). Um den Alkaloidstoffwechsel in den Tabakzellen anzuregen, simulierten wir eine Raupenattacke durch Zugabe des Wundhormons Methyl-Jasmonats. In der Tat begannen die Zellen nun damit, Alkaloide zu bilden, aber es entstand kein Nicotin, sondern das Seitenprodukt, Anatabin.

Wir führten nun ein Gen namens MPO1 ein, das für einen frühen Schritt der Nicotinbildung notwendig ist. Um sehen zu können, wo das entsprechende Protein wirkt, koppelten wir mit einer DNS-Sequenz für das Grün Fluoreszierende Protein (GFP). Wir konnten nun beobachten, wie das nun grün leuchtende MPO1-Protein in kleinen Bläschen auftauchte und mithilfe weiterer leuchtender Marker konnten wir zeigen, dass diese Bläschen sogenannte Peroxisomen waren. Diese Zellen bildeten nun in Antwort auf das Wundsignal große Mengen von Nicotin und schleusten dieses auch ins Medium aus. Von Nornicotin freilich keine Spur. Wir erzeugten nun eine zweite Zell-Linie, bei der nun die Nicotin-Demethylase, ebenfalls in einer leuchtenden Form, eingeführt war. Dies brachte uns die Erkenntnis, dass die Nicotin-Demethylase in einem innerzellulären Membran-Netzwerk, dem Endoplasmatischen Reticulum vorliegt, aber Nornicotin konnten wir immer noch nicht messen. Auch wenn wir diese Zellen mit dem Ausgangsprodukt Nicotin fütterten, passiert nur wenig.

Der Durchbruch kam, als wir die Nicotin-Demethylase Zellen mit Medium in Kontakt brachten, in dem zuvor die MPO1 Zellen gewachsen waren. Nun wurden plötzlich große Mengen an Nornicotin gebildet. Damit war der Beweis geführt, dass beim Zusammenwirken verschiedener Zelltypen neue Stoffwechselleistungen möglich sind, die keiner der Zelltypen allein hervorbringen könnte. Metabolisches LEGO ist also vielversprechend. Mit dem Mikrofluidischen Bioreaktor können wir solche Synergien im Mikromaßstab austesten, bevor das dann auf industrielle Mengen hochgefahren wird.

 

Veröffentlichung

128. Rajabi F, Heene E, Maisch J, Nick P (2017) Combination of plant metabolic modules yields synthetic synergies. PLoS ONE 12, e0169778 - pdf