2022_04 Selbstmordsignal für Reben

Was war die Frage hinter dieser Arbeit?

Esca & Co ist eigentlich eine stressbedingte Krankheit. Die verursachenden Pilze können viele Jahre im Holz siedeln, ohne Symptome zu verursachen. Wenn die Pflanze jedoch Klimastress ausgesetzt wird, wie es auch hierzulande immer öfter geschieht, kann der Pilz das wahrnehmen und bringt seinen Wirt um. Der evolutionäre Sinn hinter dieser Verhaltensänderung ist, dass sich die Pilze einen neuen Wirt suchen müssen. Die heißen und trockenen Sommer lassen auch bei uns immer häufiger Weinreben in der Blüte ihrer Produktivität plötzlich zusammenbrechen. Hierfür nutzen sie die Energie aus der "Leiche" für die sexuelle Vermehrung, um Fruchtkörper bilden zu können, die dann aus dem Holz hervorbrechen und die Sporen verbreiten. Dieses Krankheitsbild ist nicht neu – in der Tat stammt die erste Beschreibung aus einem arabischen Buch über Landwirtschaft, das im 12. Jahrhundert in Sevilla erschien. Neu ist jedoch, dass dieses früher nur sporadisch beobachtete Phänomen nun infolge des Klimawandels epidemisch auftritt und riesige Schäden anrichtet.

Was haben wir herausbekommen?

In einer Kooperation mit dem Institut für Biologische Wirkstoff-Forschung (IBWF) in Kaiserslautern ist es uns nun gelungen, zwei dieser Signale aufzuklären. Unter Stress häuft sich im Holz der Weinrebe Ferulasäure an, weil diese Vorstufe des Holzstoffs Lignin nicht mehr eingebaut werden kann. Der Pilz Neofusicoccum parvum hat "gelernt", Ferulasäure als Signal für die Krise der Wirtspflanze zu erkennen und reagiert damit mit der Bildung von Fusicoccin A. Auch Fusicoccin A ist ein Signal. Es löst in der Weinrebe den programmierten Zelltod aus, eine Form von zellulärem Selbstmord, der eigentlich für die Abwehr von sogenannten biotrophen Pathogenen gedacht ist.

Was kann man mit diesem Wissen anfangen?

Es gibt zwei Therapien - man kann nach Rebsorten suchen, die unter Trockenstress weniger Ferulasäure anhäufen, so dass der Pilz friedlich bleibt. In der Tat haben wir Wildreben gefunden, die ihren Stoffwechsel stärker in Richtung Abwehrstoffe (sogenannte Stilbene) kanalisieren und sich zu wehren wissen (mehr...). Diese können nun langfristig zur Züchtung von klimaresilienten Reben genutzt werden. Als kurzfristige Therapie kann man versuchen, das pflanzliche Immunsystem zu aktivieren, um so denselben Effekt zu erzielen. Dies untersuchen wir gerade im Rahmen des Projekts Microbes 4 Future (mehr...).

Veröffentlichung

Khattab I, Fischer J, Kazmierczak A, Thines E, Nick P (2022) Hunting the plant surrender signal activating apoplexy in grapevines after Neofusicoccum parvum infection. Plant Cell Environment doi.org/10.1111/pce.14468 - pdf

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