2015_08: Lebendes Fossil unterstützt chemical engineering

Aus dem lebenden Fossil Gingko biloba haben wir ein Werkzeug entwickelt, mit dem wir über chemical engineering Pflanzenzellen zum Selbstmord überreden können.

Worum geht es?

Über Gentechnik (genetic engineering) kann man Pflanzen auf vielfältige Weise manipulieren. Man kann damit jedoch nur Zellen als Ganzes verändern. Um die Erscheinung der zellulären „Richtung“ studieren zu können, brauchen wir ein Werkzeug, das wir ebenfalls mit einer Richtung (einem Gradienten) einsetzen können. Daher arbeiten wir an einem chemical engineering für Pflanzenzellen. Besonders spannend sind Peptide, weil man diese für eine ganz bestimmte Zielstruktur zuschneiden kann. Doch wie bekommt man Peptide durch Zellwand und Plasmamembran in die Zelle hinein?

Wo stehen wir?

Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Anne Ulrich (Campus Nord, Institut für Biologische Grenzflächen) entwickelten wir „Trojanische Pferde“, die in Pflanzenzellen eindringen und dort gezielte Frachten einbringen können. Im Brennpunkt dabei ist das Actinskelett ("die Muskeln der Pflanze"), weil man damit nicht nur die zelluläre Richtung manipulieren, sondern auch das Immunsystem der Pflanze aktivieren kann. In einer vorangegangenen Arbeit (Eggenberger et al. 2011) war es uns gelungen, ein kurzes Peptid namens Lifeact einzubringen, das dann seine Fracht (einen fluoreszenten Farbstoff) auch tatsächlich an die Actinfilamente koppelte. In der laufenden Arbeit gehen wir einen Schritt weiter und transportieren ein kurzes Stück aus dem Protein Ginkgilobin und wir zeigen damit, dass wir damit die Zelle zum Selbstmord "überreden" können. Das klingt etwas seltsam und man könnte sich die Frage stellen, wofür das gut ist.

Was steckt dahinter?

Das Protein Ginkgilobin stammt aus dem lebenden Fossil Ginkgo biloba, auch Mädchenhaarbaum genannt. Schon Goethe hat über diesen seltsamen Baum in seinem West-Östlichen Diwan ein Gedicht über diesen Baum geschrieben. Der Ginkgobaum steht zwischen den Farn- und den Samenpflanzen und besiedelte vor 200 Millionen Jahren alle Kontinente. Heute gibt es nur noch wenige Restbestände in Südchina, wo der Baum wild vorkommt. Als Parkbaum ist er freilich in der ganzen Welt verbreitet und seine zweigelappten Blätter (biloba heißt zweilappig) inspirierten Goethe zu seinem Gedicht, das sich mit der Polarität der Geschlechter befasst. Die ziemlich unangenehm nach Buttersäure riechenden "Früchte" sind in Wirklichkeit unbefruchtete weibliche Samenanlagen - die Befruchtung findet oft erst viele Monate nach Abwurf statt, und das führt zur Frage, wie die mit wertvollen Nährstoffen vollgepackte Eizelle diese lange Zeit im Innern des verrotteten Gewebes unbeschadet übersteht. Hier kommt nun das Ginkgilobin ins Spiel - dieses Protein kann nämlich attackierenden Mikroben den Garaus machen. Um dies genauer zu verstehen, haben wir erst einmal das Gen für Ginkgilobin aus den Samenanlagen kloniert und dann gekoppelt mit dem Gen für ein fluoreszentes Quallenprotein, in Tabakzellen eingebarcht. Wir beobachteten, dass Ginkgilobin an die Actinfilamente bindet und schnitten dann immer mehr Stücke aus dem Gen heraus, um herauszufinden, welcher Teil des Proteins hierfür verantwortlich ist. Für diesen Teil, die sogenannte A-Domäne, stellten unsere Kooperationspartner am IBG, ein Tandem aus dem "Trojaner" BP100 und der Ginkgilobin-Domäne her. Auch dieses Tandem band an die Actinfilamente. Damit aber nicht genug - die Actinfilamente kontrahierten sich nach Bindung des Tandems. Dies ist ein wichtiges Signal beim programmierten Zelltod (der pflanzlichen Version der tierischen Apoptose) - eine wirksame Strategie, um eindringende Mikroben mit in den Tod zu reissen. In der Tat konnten wir mit diesem Ginkgilobin-Trojaner die Tabakzellen in den programmierten Zelltod treiben.

Zum ersten Mal konnten auf diese Weise bei Pflanzenzellen mithilfe eines künstlich entworfenen Trojanischen Peptids gezielt manipuliert werden. Wir wollen nun untersuchen, ob man diese Strategie für den biologischen Pflanzenschutz weiterentwickeln kann.

Publikationen

82. Eggenberger K, Mink C, Wadhwani P, Ulrich AS, Nick P (2011) Using the peptide BP100 as a cell penetrating tool for chemical engineering of actin filaments within living plant cells. ChemBioChem 12, 132-137 - pdf

118. Gao N, Wadhwani P, Mühlhäuser P, Liu Q, Riemann M, Ulrich A, Nick P (2015) An antifungal protein from Ginkgo biloba binds actin and can trigger cell death. Protoplasma, DOI 10.1007/s00709-015-0876-4 - pdf