2015_05 Actin - Tod oder Leben?

Wachstum oder Zelltod - Actin und Auxin handeln aus, was bei einer Attacke durch schädliche Mikroben die beste Strategie ist.

Worum geht es?

Immunität kostet Kraft - das weiß jeder, der schon einmal mit hohem Fieber im Bett lag. Bei Pflanzen ist das nicht anders. Die Aktivierung der pflanzlichen Abwehr geht mit einer deutlichen Verlangsamung des Wachstums einher. Daher wird die Abwehr nur dann aktiviert, wenn es notwendig ist. Als der Mensch Pflanzen in Kultur nahm, hat er unbewusst auf schnelles Wachstum und hohen Ertrag hin gezüchtet. Zu einseitig vielleicht, denn die natürliche Immunität blieb dabei auf der Strecke und wir müssen nun  in der Landwirtschaft beträchtlichen Aufwand für chemischen oder biologischen Pflanzenschutz treiben.

Die Pflanze muss also einen für sie günstigen Kompromiss finden, der die Verminderung des Wachstums und die Aktivierung der Abwehr miteinander ins Gleichgewicht setzt. Dies gilt ganz besonders für eine extreme Form der Abwehr, den programmierten Zelltod, dem wirksamsten Mittel gegen sogenannte biotrophe Krankheitserreger. Das sind Mikroorganismen, die mittels raffinierter chemischer Manipulation die Pflanzenzelle in einen willenlosen Zombie verwandeln, der den Eindringling willig mit Nährstoffen versorgt. In der Arbeit untersuchen wir nun die Rolle von Actin (die "Muskeln" der Zelle) und Auxin (dem wichtigsten Wachstumshormon) bei der Abwehr von Zellen der Weinrebe. Wir fanden heraus, dass Auxin die Aktivierung der Immunität bremsen kann. Als wir weiter nachbohrten, zeigte sich zu unserer Überraschung, dass ein wichtiges Signal für die Aktivierung der Immunität - das von einem Enzym in der Zellmembran erzeugte Superoxid - auch für die Signalverarbeitung von Auxin gebraucht und daher auch zu einem gewissen Niveau während der normalen Entwicklung gebildet wird. Da dieses Superoxid eine Verkrampfung der Zellmuskeln auslöst, was als wichtiges Signal für die Aktivierung des programmierten Zelltods gilt, haben wir hier also den Schlüssel gefunden, mit dem die Pflanze Wachstum und Abwehr ausbalanciert. Der Weg ist ebenso einfach wie genial: beide Reaktionen brauchen Superoxid für ihre Aktivierung. Da die Menge von Superoxid begrenzt ist, ensteht so eine Konkurrenz: wenn die Immunität aktiviert wird, wird dadurch der Auxinweg gehemmt, das Wachstum wird gebremst und die Pflanze erhält freie Ressourcen, die sie in die Abwehr stecken kann. Umgekehrt kann ein Überschießen der Abwehr durch Bildung von zusätzlichem Auxin gebremst werden.

Veröffentlichung

114. Chang X, Riemann M, Nick P (2015) Actin as deathly switch? How auxin can suppress cell-death related defence. doi: 10.1371/journal.pone.0125498 - pdf