15.10.2022: Wie Klimastress Pflanzen krankmacht

Esca & Co ist eigentlich eine stressbedingte Krankheit. Die verursachenden Pilze können viele Jahre im Holz siedeln, ohne Symptome zu verursachen. Wenn die Pflanze jedoch Klimastress ausgesetzt wird, wie es auch hierzulande immer öfter geschieht, kann der Pilz das wahrnehmen und zieht dann andere Saiten auf - er bringt seinen Wirt um, klaut sich die Energie aus der Leiche, macht Sex und macht sich davon (er bildet Sporen). Der evolutionäre Sinn besteht darin, dass der Pilz von einem kränkelnden Wirt nicht mehr viel zu erwarten hat und sich daher eine neue Bleibe suchen muss. Der Ausbruch von Esca & Co wird also von chemischen Signalen gesteuert. In einer Kooperation mit dem Institut für Biologische Wirkstoff-Forschung (IBWF) in Kaiserslautern ist es uns nun gelungen, zwei dieser Signale aufzuklären. Unter Stress häuft sich im Holz der Weinrebe Ferulasäure an, weil diese Vorstufe des Holzstoffs Lignin nicht mehr eingebaut werden kann. Der Pilz Neofusicoccum parvum hat "gelernt", Ferulasäure als Signal für die Krise der Wirtspflanze zu erkennen und reagiert damit mit der Bildung von Fusicoccin A. Auch Fusicoccin A ist ein Signal. Es löst in der Weinrebe den programmierten Zelltod aus, eine Form von zellulärem Selbstmord, der eigentlich für die Abwehr von sogenannten biotrophen Pathogenen gedacht ist. Diese "modernen" Erreger können die Wirtszelle in eine Art Zombie verwandeln, der willenlos den Eindringling mit Zucker versorgt. Die ökonomisch bedeutenden Krankheiten Rebenperonospora und Mehltau zählen hier dazu. Der Selbstmord der Zombiezelle reißt auch diese biotrophen Erreger mit in den Tod. Für die Abwehr von Esca & Co ist diese Form von Verteidigung jedoch völlig unangebracht. Esca-Pilze ernähren sich ja ohnehin von Zell-Leichen, sie sind, wie man sagt, nekrotroph. Eine Wirtszelle, die sich selber umbringt, ist daher für den Pilz ein gefundenes Fressen. Fusicoccin A manipuliert also die Abwehr der Pflanze in einer Weise, die nicht der Pflanze nützt, dem Pilz aber schon. Diese raffinierte Manipulation über chemische Signale konnten wir nun aufklären und soeben in der Fachzeitschrift Plant Cell & Environment publizieren.

Khattab I, Fischer J, Kazmierczak A, Thines E, Nick P (2022) Hunting the plant surrender signal activating apoplexy in grapevines after Neofusicoccum parvum infection. Plant Cell Environment doi.org/10.1111/pce.14468 - pdf

 

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27.07.2022: Mikrobenkampagne

Um Mikroben zu finden, die im Wurzelraum leben und das Immunsystem der Rebe stärken können, so dass sie Esca & Co besser widerstehen kann, planen für August 2022 eine Sammelkampagne in der gesamten Oberrheinregion. Hier brauchen wir die Hilfe von Winzerinnen und Winzern: wenn Sie in Ihrem Weinberg von Esca befallene Stöcke haben, können Sie uns kontaktieren. Wir entnehmen dann eine kleine Menge (ca. 1 Liter) Erde im Unterstockbereich, als Kontrollprobe Erde von gesunden Reben im selben Weinberg. Natürlich tun wir das sehr vorsichtig und schonend, um ihre wertvollen Rebstöcke nicht zu schädigen. Aus der Erdprobe wird dann die DNS extrahiert und mithilfe modernster Technologie (sogenannter Metagenomik) untersucht. Wir könne dann die Zusammensetzung der Mikrobenflora feststellen, um so "heilende" Mikroben zu finden, die auch in einem heißen und trockenen Sommer, wie er auch dieses Jahr wieder zu erwarten ist, der Pflanze dabei helfen, den Ausbruch des sogenannten apoplektischen Zusammenbruchs (rechts Bild) zu verhindern. Hier können Sie sich anmelden.