Landrassen von Reis

Die Wawilow Zentren der Biodiversität. Die alte indische Landrasse Sathi hat ihren Namen vom Sanskrit-Wort für 60 Tage - das ist nämlich die phänomenal kurze Zeit ihres Lebenszyklus
Repräsentative Probe der Landrasse Albela Khogadi, um die Variabilität in Form und Farbe zu zeigen (Bild Dr. Vaidurya Sahi).

Züchtung ist eigentlich nur die Verbindung von Variation und Selektion (man denke an Darwins Anfänge als Taubenzüchter). Die Züchtung von Nutzpflanzen steht und fällt also mit der Verfügbarkeit genetischer Diversität. Während der oft Jahrtausende währenden Geschichte menschlicher Kultivierung wurden für die meisten Nutzpflanzen tausende von Varietäten erzeugt. Dies passierte zumeist unabsichtlich, indem man einfach einen Teil des Saatguts vom Vorjahr erneut aussäte. Mit der Zeit passte sich die entsprechende Varietät and jeweiligen Bedingungen an. Diese sogenannten Landrassen sind nicht genetisch einheitlich, sondern sind eigentlich Populationen verschiedener Genotypen, die sich natürlich weiter entwickeln, wenn die Bedingungen verändert sind. Diese Evolution führte dazu, dass diese Population optimal an Boden, Klima, Krankheiten und landwirtschaftliche Praktiken der jeweiligen Region angepasst sind. Leider sind die Erträge jedoch oft gering und daher kommen Landrassen aus der Mode und in dem Moment, wo sie niemand mehr anbaut, sind sie weg. Moderne Landwirtschaft arbeitet vor allem mit reinen Sorten (Kultivaren), die genetisch einheitlich sind und so präzise vorhersagbare Eigenschaften (und Erträge) aufweisen. Der Preis für die hohen Erträge war jedoch oft ein Verlust von Resilienz gegen widrige Umstände. Solche Hochertragssorten werden aber gewöhnlich unter optimalen Bedingungen angebaut - vom Dünger über Bewässerung bis zum chemischen Pflanzenschutz, so dass der Verlust der Widerstandsfähigkeit gar nicht sichtbar wird. Freilich haben die Bauern in den Entwicklungsländern nicht das Geld um teuren Dünger oder Pestizide zu kaufen und müssen oft auch klimatische Schwankungen ertragen. Diese Pflanzen sind also nicht immer optimalen Bedingungen ausgesetzt und da machen die Hochertragssorten häufig schlapp. Da die Bauern oft ihre letzten Mittel investiert haben um das teure Saatgut zu kaufen, sind die unter diesen widrigen Bedingungen oft horrenden Ernteausfälle der Grund für den Ruin. Da solche Hochertragssorten genetisch einheitlich sind, können sie sich auch nicht evolutionär an die Widrigkeiten anpassen. Ohne genetische Diversität kommt Evolution zum Stillstand... Landrassen sind daher inzwischen gefragte genetische Ressourcen für die Resilienzzüchtung. Aber sie verschwinden mit einer Geschwindigkeit, die es fraglich erscheinen lässt, ob es gelingt, die Gene der Resilienz zu fangen, bevor sie verschwunden sind. Die Zentren der landwirtschaftlichen Diversität wurden durch den russischen Genetiker Wawilow im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts kartiert. Die meisten dieser Wawilow-Zentren liegen in politisch instabilen Gegenden der Welt, was die Erhaltung dieser genetischen Schätze für die Menschheit nicht gerade einfacher macht.