2022 08: Todesfaktor hilft beim Energiesparen

Zellbiologie macht Biotechnologie effizienter

Die Mikroalge Chlorella macht derzeit als Superfood Furore. Vollgepackt mit Protein und Vitaminen ist sie neben der „Blaualge“ Spirulina (eigentlich ein photosynthetisches Bakterium) ein hochpreisiges funktionelles Nahrungsmittel. Doch wie bekommt man die Proteine aus der Alge heraus? Bislang durch Hochdruckextraktion – das benötigt nicht nur viel Energie, sondern man muss hinterher die wertvollen Proteine von anderen Zellbestandteilen abtrennen. Am Institut für Hochleistungsimpuls- und Mikrowellentechnik (IHM) am Campus Nord hat man ein Verfahren entwickelt, das mit sehr starken elektrischen Impulsen arbeitet. Damit kann man das Protein in reiner Form gewinnen. Aber auch hier ist sehr viel Energie nötig. In einer von IHM und Botanik gemeinsam betreuten Promotion hat Damaris Krust eine energiesparende Alternative entwickelt. Interessant dabei ist, dass es sich zunächst um reine Grundlagenforschung handelte, die dann überraschend zu neuen Anwendungen führte. Wir hatten beobachtet, dass diese einzellige Alge abstirbt, wenn sie mit dem Überstand von elektrisch behandelten Schwesteralgen behandelt wird. Dabei wird das Protein ebenso freigegeben, wie wenn die Alge direkt elektrisch behandelt wurde. Es gibt also einen geheimnisvollen Todesfaktor, der durch die elektrischen Impulse freigesetzt wird. Damaris Krust hat nun die Bedingungen, unter denen dieser Todesfaktor entsteht, genau kartiert und kann dies nun biotechnologisch nutzen. Damit lässt sich der Energiebedarf mehr als 100-fach absenken und damit die elektrische Extraktion von Protein viel effizienter machen. Der Chlorella-Smoothie im Supermarkt wird damit nicht nur ein Superfood, sondern auch noch super-sparsam. Natürlich haben wir uns auch gefragt, wozu die Natur einen solchen Todesfaktor entwickelt hat. Der Schlüssel liegt im Lebenszyklus dieser Alge – sie teilt sich nämlich in Viererpakete von Tochterzellen, die zunächst von der mütterlichen Zellwand umschlossen sind. Diese Zellwand enthält, für Algen sehr ungewöhnlich, Chitin, und muss aufgelöst werden, um die Tochterzellen in die Freiheit zu lassen. Der Todesfaktor ist also eigentlich ein Geburtsfaktor – durch die Elektrobehandlung wird er jedoch vor der Zeit freigesetzt und dies führt dazu, dass die Zellen ihre Zellwände auflösen. Damaris Krust hat mit dieser Geschichte nicht nur erfolgreich promoviert, sondern eine spannende Publikation (Krust et al. 2022) veröffentlicht und am Ende noch den Energiecampus-Preis der Stiftung Energie und Klimaschutz (mehr...) eingeheimst. Überblicksartikel zum Projekt.